Turnierbericht aus Lüneburg

Wenn der Webmaster von euch gerne Turnierberichte für die Homepage hätte, soll er doch gefälligst erstmal selber welche liefern. Deshalb möchte ich hiermit dieser meiner Dienstpflicht nachkommen und vom interessanten Schnellturnier (Offizielle Bezeichnung: „7. Offene Internationale NSV – Rapidmeisterschaft“) in Lüneburg berichten, das Anfang August 2019 im Rahmen des alljährlichen Schachfestivals stattfand. Das Turnier weist im Vergleich zu den Schnellturnieren diverser Bezirksvereine einige Unterschiede (bzw. Vorzüge?) auf:

  • Austragung am Samstagabend
  • sehr gute Spielbedingungen in einem großen, hellen, klimatisierten Hotel-Tagungsraum
  • Bedenkzeit von 10 Minuten / Partie + 5 Sekunden Zeitgutschrift pro Zug
  • überregionales Teilnehmerfeld
  • Beteiligung vieler GM+IM+FM inkl. einiger „Schachpromis“
  • Auswertung für eine Schnellschach-Elo
  • Live-Übertragung sämtlicher Bretter ins Internet

Insbesondere Letzteres sorgte bei manchem Teilnehmer für Erstaunen, der kaum fassen wollte, dass sogar seine Partie an den hintersten Brettern nun wie bei einem internationalen Großmeisterturnier auf den Schachportalen übertragen wird. Etwas nervig war allerdings, dass dafür die Figuren immer penibelst genau aufgestellt werden mussten und vor jeder Runde Ansagen kamen wie: „Bitte an Brett 13 den weißen König noch mal gerade rücken…an Brett 20 den Bauer auf g2 einen Millimeter nach links…an Brett 1 weiße Dame auf weißes Feld…“.

Zum Turnierverlauf: Nach einem glatten Sieg in der ersten Runde traf ich in Runde 2 gleich auf einen IM mit Elo 2400 und verlor nach meinem Gefühl ziemlich chancenlos. Nie und nimmer hätte ich nach der Partie gedacht, dass ich zu irgendeinem Zeitpunkt besser stand. Umso erstaunter war ich am Tag danach beim Durchklicken der Partie auf Chess24, dass mich der Computer einige Züge lang im Vorteil sah und ich sogar einmal glatt auf Gewinn gestanden haben soll. In Runde 3 wurde ich gegen einen ca. 14-jährigen Jugendlichen mit Setzlistenplatz 33 gelost. Aha, wird also ungefähr 1500-1700 DWZ haben, so meine Schlussfolgerung vor dem Spiel. Während der Partie wunderte ich mich dann zunehmend, wie fehlerfrei er damit spielt…des Rätsels Lösung erschloss sich mir auch erst später: Der Knabe hat DWZ, Elo und Blitz-Elo von ca. 2200, nur seine (für die Setzliste maßgebliche) Schnellschach-Elo lag noch bei 1750. Ich verlor nach einigen Quatschzügen im Endspiel.

Nach einem glatten Sieg in Runde 4 ging es in Runde 5 wieder gegen einen Jugendlichen. Diesmal gewann ich das Endspiel mit etwas Glück und stellte später fest, dass ich gegen einen AGM, einen „Arena-Großmeister“ gespielt hatte. Diesen Titel kann man bei der FIDE online bestellen erspielen, er scheint bei einer „Realschach“-Elo von 1500 jedoch nicht allzu aussagekräftig zu sein – aber immerhin kann ich jetzt damit prahlen, schon mal einen Großmeister geschlagen zu haben 😀 In Runde 6 rückte ich dann wieder einige Bretter nach vorne. Mein Gegner zog in der Eröffnung rasend schnell. Pff, kann ich auch, beschloss ich…und stand prompt auf Verlust, weil ich in meiner Standard-Eröffnung bei zwei Zügen versehentlich die Reihenfolge vertauschte. Naja, kann ja mal passieren, wenn man eine Eröffnung erst 20.000-mal gespielt hat. Die Partie ging dadurch kläglich verloren.

In der letzten Runde (Start um 0:45 Uhr!) dann nochmal ein glatter Sieg, bei dem mein Gegner nach dem Spiel meinte, dass ich außerdem zwischendurch ein einzügiges Matt übersehen hätte, was ich kaum glauben wollte. Peinlicherweise hatte er a) recht und musste ich b) zuhause die Partie sogar dreimal durchklicken, um es auch endlich zu finden. Das Turnier beendete ich trotz solcher „Glanzleistungen“ auf Platz 20 von 52 Teilnehmern – und damit immerhin noch vor dem NSV-Präsidenten (22.) und dem amtierenden Niedersächsischen Landesmeister (23.) 😛

Auch das Kiebitzen an den vorderen Brettern war unterhaltsam und brachte die interessante und beruhigende Erkenntnis, dass auch manche FM’s nicht mit Springer und Läufer mattsetzen können. Etwas bedauerlich aus Kiebitzsicht ist allerdings, dass es durch die Zeitgutschrift pro Zug kaum noch zu Zeitnotduellen und wildem Uhrgehacke (oder Streitfällen zwischen cholerischen Großmeistern) kommt. Abschließendes Testurteil damit: Teilnahme empfehlenswert, schade und für mich etwas unverständlich, dass nicht mehr Winsener mitgespielt haben, wenn ein solches Turnier direkt vor unserer Haustür stattfindet. Vielleicht beginnt es ja nächstes Jahr auch mal ein bis zwei Stündchen früher, damit man vor 2 Uhr zuhause ist…